Lager zwischen den Bäuen

Ich halte es nicht länger aus. Sofort platze ich heraus: "ich habe dich so vermisst. Als du weg warst habe ich mich innerlich tot gefühlt. Ich habe gemerkt dass ich ohne dich nicht leben kann. Auch wenn du jetzt vielleicht andere Gefühle für mich hast... ich möchte, dass du weißt, dass ich dich immer noch liebe - Egal was passiert. Bitte verzeih mir dass ich nicht mehr nach dir gesucht habe als du weg warst...". Meine Ohren  zucken vor Nervosität und ich sehe nach unten. Mir wird unter meinem dichten Fell sehr heiß. Am liebsten würde ich jetzt weglaufen. Ich hasse es, mit anderen über meine gefühle zu sprechen. Generell geht mir bei anderen dieses alberne Liebesgefasel meistens auf die Nerven. Trotzdem, ich weiß, dass ich das jetzt sagen muss. Jetzt und zu keinem anderen Moment. Ich schlucke. Meinen Kopf, den ich demütig gesenkt hatte, neige ich jetzt ein wenig nach  oben um Moon in die Augen sehen zu können. "Bitte, sei wieder meine Gefährtin, Moonschatten."

Die lange zurückgehaltenen Tränen rinnen mir zahlreich über die Wangen, ohne das ich mir ihrer bewusst bin.
"Struwwelpelz, es tut mir so leid", mauze ich, "ich habe mich immer nach dir gesehnt, bin beinahe durchgedreht vor Kummer. Ich wollte dir niemals so schrecklich sehr wehtun."
Was bin ich nur für ein mottenzerfressenes Fellbündel, schimpfe ich mich im Stillen schuldbewusst aus, starre auf meine unruhigen Tazen.
"Ich bin dir auf keinen Fall böse", beruhige ich ihn und zucke erschrocken zusammen, als mich das Bild von Struwwelpelz, leblos daliegend mit Blut an der Schnauze, durchzuckt. "Du konntest nichts machen, ein Zweibeiner hat mich mitgenommen. Der Clan brauchte dich." Du solltest nicht sterben, scheinen meine tränenschimmernde Augen zu sagen.
Die dunklen Erinnerungen an die Hölle lassen sich meinen Körper zusammenkauern. Ich versuche diese zu verdrängen, doch schaffe es kaum.
Er muss es wissen, ich darf es ihm nicht verschweigen, ihn gar anlügen. Somit gestehe ich voller Kummer und Leid, dass sich mir beinahe der Magen umdreht: "Ich kann keine Kriegerin mehr sein, Jägerin muss man sehen. Ich bin schlimmstenfalls eine Last für den ganzen Clan. Dir gehört mein Herz, mein Struwwel, niemanden sonst. Ich will dem Clan helfen als Heilerin, will aber nicht mehr auf deine Gegenwart verzichten. Das musste ich zu lange, es hat mich beinahe umgebracht."
Heilerin und Gefährtin soll nicht gehen, aber das ist mir im Moment egal.
Denn ich küsse den Kater, dem mein Herz gehört, grade sehr vorsichtig und voller Sehnsucht.

Ich zucke bei ihren Worten zusammen und erstarre. Meine Augen sind weit aufgerissen. Ich weiche unwillkürlich ein Stück zurück. Auch wenn ich es wegen ihrem verletzten Blick sofort wieder beräue. "Heilerin...?", flüstere ich. Etwas in mir droht zu zerbrechen. Ich sehe zu Boden um meine Tränen zu verstecken. Ich möchte ihr keine Schuldgefühle machen. "Wenn...", ich seufze und spüre wie ich innerlich zerbreche. Es fühlt sich an als würden Die Scherben von dem, was dort war, mich von innen aufschlitzen. "Wenn das dein Wubsch ist, möchte ich dem nicht im Weg stehen." Ich habe die Ohren angelegt. Der Schmerz macht mich wahnsinnig. Wie soll ich es hier noch aushalten?! Meine große und einzige liebe jeden Tag sehen und doch nicht mit ihr zusammen sein zu dürfen. Langsam beuge ich mich vor und berühre mit meinem Gesicht ihren Kopf. "Du weißt ich will nur das beste für dich. ", flüstere ich bevor ich mich umdrehe und zum lagerausgang gehe.

Ich will nicht mehr, er weist mich von sich.
Wieso musst du auch so  dumm sein? Werde wieder Kriegerin und Jägerin! Vergiss das alles bei den Zweibeiner, verdränge es!
Meine Gedanken hämmern auf mich ein, mein gebrochenes Herz weint blutige Tränen.
"Du bist das Beste in meinem Leben gewesen!", mauze ich schluchzend und sehe dem Kater nach, wie er geht, ohne sich noch einmal umzuschauen.
Ich kann nicht mehr. Die Einsamkeit krallt sich in meinen geschwächten Körper, ringt ihn komplett nieder. Mit hängenden Schweif und Ohren schaue ich blicklos zu Boden. Die Tränen verkleben mein Wangenfell.
Ich bin wertlos, war es schon immer. Töte oder verletze diejenigen, die mir ihre Liebe schenken. Mama, Papa, jetzt auch noch Struwwelpelz.
Voller Selbsthass fange ich an mich selbst zu beißen. In die Pfoten, den Schweif, die weiche Stelle unten am Bauch. Schon nach kurzer Zeit schmecke ich metallisches Blut, aber ich rase weiter gegen mich selbst. Mein Knurren klingt wahnsinnig und zerbrochen, der Schmerz erscheint mir verdient.
Nur ich soll leiden, niemand sonst! Keinen mehr verletzen!
Ich bin nicht mehr ansprechbar, sondern nur noch hassend. Allein auf mich selbst.

Ich bin schon fast aus dem Lager getreten als ich knurrende Geräusche höre und Blut reiche. Alarmiert drehe ich mich um. Verdammt! Ich sehe Moon, die sich selbst verletzt. Alles, was ich gesagt und gefühlt habe nehme ich jetzt nur noch schwach als blasse Erinnerung war. Meine Gedanken schalten für einen Moment aus. Ich sehe an meinen verkratzen Beinen und meinem Bauch herab. Bisher weiß niemand woher die Narben stammen... Plötzlich fange ich mich wieder. Es ist als würde ich aus einer merkwürdigen Trance erwachen. Sofort sprinte ich los und renne auf Moon zu. Ohne nachzudenken stoße ich sie um und halte sie am Boden fest. Auch wenn sie immer noch um sich beißt, kann sie sich jetzt nicht mehr verletzen. Ich sehe ihr schwer atmend in die Augen. Mir selbst Rinnen Tränen über die Wangen. Was habe ich getan. Wie selbstsüchtig ich bin. Habe natürlich wieder nur an mich gedacht. "Tu das nicht.", murmele ich leise und suche ihren Blick. "Ich weiß... wie das ist.", ich zögere. "Du darfst dir nicht selbst wehtun." Ich mustere unverwandt die Narben an meinen Vorderpfoten. "Auch wenn du denkst, du verdienst es oder es wird dir besser gehen." Ich sehe zu Boden. Ich weiß nicht ob ich es ihr sagen kann... ohne weiter darüber nachzudenken flüstere ich: " siehst du die Narben an meinem ganzen Körper? Die meisten dachten immer sie wären von vergangen kämpfen aus meiner Zeit als junges, zu der ich Streuner war. " ich sammele meinen Mut für die nächsten Sätze. "Ich habe sie mir selbst zugefügt. Ich weiß was du dabei fühlst... aber es ist nicht richtig. Das ist alles nur eine Illusion. Es macht nichts besser.." ich wende mein Gesicht zur Seite. Die Worte haben mich sehr viel Überwindung gekostet. Ob sie es verstehen wird? Ich flehe innerlich, das richtige gesagt zu haben. Nervös warte ich ihre Reaktion ab.

Der Schmerz und Selbsthass vernebeln meine Sinne. Mein Gesicht ist mit meinem eigenen klebrigen Blut komplett verschmiert. Es vermischt sich mit den Tränen, welche mir schon die ganze Zeit über die Wangen rinnen.
Der eklig süßlich-metallische Geruch verstopft meine Nase, wird nur langsam durchdrungen von dem beruhigenden Duft von Struwwelpelz.
Dessen Blick aus den besorgten, so geliebten bernsteinfarbenen Augen wirkt tröstend, wie Heilkräuter auf meinem gebrochenen Herzen, meiner zerfetzten Seele.
Schwer atmend liege ich unter seinen großen Tazen auf der Seite, wehre mich nicht, zittere nur unkontrolliert.
Gehe nicht fort, bitte, lasse mich nicht wieder allein, will ich ihn am liebsten anflehen, ich tue auch alles, was du willst. Aber bitte, bitte, bleibe bei mir, selbst wenn ich dumm wie ein Sack Mäusedreck bin.
Meine Augen flehen ihn mit dieser unausgesprochenen Bitte an, über meine blutbesudelten Lippen mauze ich leise und verloren: "Es tut so weh. Ich will nicht allein sein, die Einsamkeit schmerzt schlimmer als eine Dornenhecke. Nichts wird besser." Ich weiß nicht, was ich machen soll, bin völlig hilflos. Bin selber dran schuld, was mit mir geschehen ist, was geschehen wird.
"Ich kann dich nicht vergessen. Du bist mein Gefährte, mein geliebter Struwwelpelz. Selbst wenn du mich dummes Ding nicht mehr haben willst." Das habe ich mehr als nur verdient, denke ich im Stillen voller Kummer. "Dann beende es bitte. Lasse mich nicht leiden, nicht an der Einsamkeit langsam und qualvoll allein zugrunde gehen lassen."
Ein kurzer Biss in die Kehle oder den Nacken, und alles ist vorbei, er endlich frei von mir mottenzerfressenen, mäusehirnigen, kranken Etwas, was nicht einmal den Namen Clankatze verdient hat.
Ergeben schließe ich die Augen und hebe den Kopf an, sodass meine ungeschützte Kehle frei liegt. Weinend und, auch, ängstlich, erwarte ich Struwwels nächste Handlung, nämlich meinen Tod.
Ich will nicht ohne ihn leben, dann lieber sterben.

Ich sehe auf sie hinab. Was tut sie nur?! Ich spüre den Schmerz in meiner Brust. Es tut weh sie so zu sehen. Ob sie mich wirklich braucht? Ich beuge mich langsam zu ihrem Nacken herunter und öffne den Mund. Dann knurre ich leise. Ihr weiches Fell kitzelt an meiner Nase. Ich spürte wie sie unter mit zuckt. Ob sie wirklich erwartet, dass ich sie töte? Ich knurre noch einmal lauter und beginne dann sanft ihr Nackenfell zu putzen. Sie zuckt zusammen. Sie dachte wirklich ich würde ihr den Rest geben... Ich seufze und knurre dann liebevoll in ihr Ohr: "du weißt, dass ich dir niemals wehtun könnte. Meine Welt ohne dich wäre zerstört. Ein Trümmerfeld. " Dann beginne ich, ihre weiteren Wunden zu säubern. Ihr Fell schmeckt nach Blut. Auch wenn mich der Gestank abschreckt und an früher erinnert putze ich sie weiter. Endlich hält sie still und beginnt sich zu beruhigen. Ich atme erleichtert aus.

Ergeben, mit fest zusammengekniffenen Augen, versuche ich zu realisieren.
Denn es wirkt einfach zu schön um wirklich wahr zu sein.
Aber Struwwelpelz ist bei mir, ist real und ganz, ganz nah.
Ich spüre seine Wärme, welche die Kälte aus meinen geschwächten Körper vertreibt. Sein Duft verjagt immer mehr den Gestank des Blutes aus meiner Nase. Seine Zunge, wie sie so vorsichtig mein Fell putzt, von dem ganzen Dreck, Kletten und rotem Lebenssaft.
Ich habe seine Worte vernommen und weiß, dass das Leben ohne ihn auch für mich eine einzige Qual wäre.
"Bitte, gehe nicht fort", mauze ich leise, kaum verständlich," wenn, dann nimm mich mit, mein Gefährte."

Ich schnurre beruhigend. Gefährte. Das Wort hallt in meinen Ohren nach auch wenn sie es nur sehr leise geflüstert hat. Glücksgefühls strömen durch meinen Körper. Sanft putze ich weiter ihr Fell bis es wieder Glass ist und glänzt. Dann lege ich mich leise schnurrend neben sie.

Vorsichtig hebe ich den Kopf etwas an und verstecke mein Gesicht sacht an seine Schulter, atme tief seinen unverwechselbaren Duft ein.
"Es tut mir alles so dolle leid", mauze ich unverständlich gegen sein Fell, schlecke sacht über dieses. Eine Liebeserklärung und Entschuldigung gleichermaßen.
Sein beruhigendes Schnurren dringt an meine Ohren, lässt mich innerlich immer mehr zur Ruhe kommen.
Ich gehöre zu Struwwelpelz, meinen über alles geliebten Gefährten.

Ich schnurre leise. Dann antworte ich ihr "es muss Dir nicht leid tun. Ich weiß zwar nicht, was du alles durchgemacht hast, aber du hast den Clan bestimmt nicht freiwillig verlassen." Ich lächele. "Möchtest du dir das Kaninchen, das ich vorhin gefangen habe, mit mir teilen?" Sie muss hungrig sein, so mager wie sie ist... ich mustere sie besorgt.

Kaninchen hört sich gut an, sodass ich schnell nicke und wie ein kleines Kätzchen mauze: "Ja, bitte. Teilen uns deine Beute."
Er hat Recht, dass ich nicht freiwillig den Clan, mein Zuhause, ihn und sogar den Wald, wo wir leben, verlassen habe. Aber diese Zeit ist glücklicherweise vorbei, ich wieder daheim. Bei ihm, meinem  Gefährten, meinen geliebten Struwwelpelz. Dort gehöre ich hin.
Leise schnurrend setze ich mich richtig hin und drehe erwartungsvoll die Ohren, als Struwwel die Beute holt, wieder zu mir kommt.
Es wird nicht einfach werden, denke ich, aber zusammen schaffen wir alles.

Als ich mit dem Kaninchen zurückkehre bemerke ich erleichtert dass Moon sich ein wenig beruhigt hat. Ich lege die Frischbeute auf den Boden und schiebe sie Moon zu. Dann lege ich mich entspannt neben sie und warte bis sie den ersten Bissen genommen hat. Ich wünschte, es könnte immer so einfach sein wie in diesem Augenblick...

Ich schnuppere an dem Kaninchen und nehme den ersten Bissen. Mein Schweif zuckt vor freudiger Erregung und befriedigtem Hunger. Sofort, ich kann einfach nicht widerstehen, fresse ich noch mehr von der Beute.
Das ist echte Nahrung, nicht die Schlammpampe, welche die Zweibeiner hinstellten.
"Bitte, du auch", miaue ich lieb meinen Gefährten, meinen geliebten Struwwelpelz, zu und schiebe ihm die Beute etwas mit der Pfote zurecht.

Sie hat offensichtlich Hunger... ich nehme einen kleinen Bissen vom Kaninchen und schiebe es wieder Moon zu. Jetzt ist es erst mal wichtig dass sie genug bekommt. Ich kann mir später immer noch selbst etwas jagen.

Wir beide essen die Beute gemeinsam, wobei  ich unbewusst schnurre. Wenn doch nur alles so einfach wäre, denke ich mir und schlecke mir das Maul sauber. Seit langem bin ich satt geworden, obwohl es doch nur ein kleineres Kaninchen war. Aber es hat geschmeckt und, sicherlich, auch wegen der Anwesenheit meines Gefährten fühle ich mich aufgehoben und glücklich.
Sanft fange ich an, ihm den Kopf zu putzen und knabbere vorsichtig an seinem Nacken, weil dort das Fell ganz strubbelig ist.
Mein Struwwelpelz.
Er hat sicherlich auch kaum Gedanken an die Fellpflege verschwendet vor lauter Kummer, denke ich im Stillen, aber jetzt wird alles gut werden. Wir sind wieder vereint.

"Moonschatten", rufe ich die Kätzin und sehe sie mit Struwwelpelz essen, "ich wollte euch nicht stören, entschuldigt, aber dürfte ich mir Moonschatten kurz ausleihen, Struwwelpelz?"

Erwischt zucke ich zusammen und lächle beruhigend meinen Gefährten an. "Mache dir keine Sorgen", miaue ich ihm zu und tabse zu Nachtstern.
Mein Herz hat angefangen heftig zu schlagen, aber mein Entschluss steht fest. Jetzt muss ich den nur noch ihr so rüberbringen, dass sie mir nicht gleich das Fell über die Ohren zieht.

"Danke. Vielleicht könntest du dir kurz meine Schülerin Flüsterpfote ansehen? Ich bin keine gute Heilerin und konnte mich nur teilweise um ihre verletzungen kümmern."

Ich tabse schwankend ins Lager und schüttel den Kopf.
Ich zitter leicht.

Ich wende mich kurz von Moon ab und sehe zum Eingang, durch den gerade Löwenkralle schwankend herein trat. "Patient Nummero 2",miaue ich Moonschatten zu, bevor ich schnell zu Löwe eile um ihn seitlich zu stützen.

Ich breche einfach zusammen und sage:"scheiss..... "
Dann bin ich bewusstlos.

Sofort nicke ich wegen den beiden Verletzten.
"Was ist mit ihnen passiert?", verlange ich von Nachtstern zu erfahren und mustere besorgt den ohnmächtigen Kater.
"Ich brauche Thymian", meine ich nur," genauso wie Weidenrinde und auch Mohnsamen."
Das ist ein Anfange.
Obwohl diese momentan sicherlich nicht Vonnöten sind, da Löwenkralle nicht bei Bewusstsein ist.
Ich kann noch nicht sagen, wie schwer seine Verletzung ist, oder was mit der jungen Kätzin Flüsterpfote los ist.
Aber ich werde und will ihnen helfen.

Aus meinem Mund fliesst weiser Schaum und ich fange leicht an Blut zu spucken.

"Hol ich dir",miaue ich schnell bevor ich zum Heilerbau renne um die Kräuter zu besorgen.